Demokratie verteidigen

Eine Rede, gehalten am 25. Februar 2024 anlässlich der Kundgebung "Demokratie verteidigen" in Linz.

Meine Damen und Herren! Es ist mir eine Ehre, dass ich heute hier sprechen darf. Es ist schön, dass so vielen Menschen unsere Demokratie am Herzen liegt. Ich habe 40 Jahre lang als Geschichtslehrer meine Schülerinnen und Schüler immer wieder vor dem Faschismus gewarnt. Ich habe mich ausführlich mit der Frage befasst: Wie war es möglich, dass Hitler die Demokratie zerstören konnte? Und trotzdem hätte ich mir bis vor wenigen Jahren nicht träumen lassen, dass eine Rückkehr des Faschismus tatsächlich auch bei uns wieder denkbar ist. Dass es nicht soweit kommt, dafür sind wir heute da!

Ich habe mir mit Blick auf die Geschichte ein paar Gedanken dazu gemacht, um eine Frage zu beantworten: Ist Kickl mit seiner FPÖ eine Gefahr für die Demokratie?

1. Demokratie lebt vom Bewusstsein der Gleichheit aller Menschen.

Die Erfinder der Demokratie im alten Athen sprachen von Isonomie, vom gleichen Recht für alle; Gleichheit ist ein zentraler Wert in allen Religionen, etwa in der Goldenen Regel der Bibel: „Alles, was ihr wollt, dass euch die anderen tun, das tut auch ihnen“, sie findet sich in den Menschenrechten und in Sprichwörtern in aller Welt: „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu“. Im Grunde sollte es selbstverständlich sein, dass man freundlich mit anderen Menschen umgeht, vor allem mit jenen, die unsere Hilfe brauchen.

Es gibt aber Ideologien, die von einer Ungleichheit der Menschen ausgehen. Das Rechts-Links Schema in der Politik entstammt der Sitzordnung des Parlaments in der Französischen Revolution: Links saßen die Anhänger der Gleichheit. Sie wollten den König absetzen und die Vorrechte des Adels beseitigen. Rechts saßen die Verteidiger der alten Adelsherrschaft. Rechts steht für Ungleichheit, für die Rechtfertigung von Herrschaft der einen über die andere: Nationalismus, Imperialismus, religiöser Fundamentalismus, Rassismus, das Patriarchat oder die Herrschaft der Reichen über die Armen sind rechte Konzepte.

Und wenn man fragt: „Wer herrscht denn dann in einer Demokratie?“, dann muss man sagen: Niemand. Und alle leben nach den Gesetzen, den Spielregeln, die man gemeinsam festgelegt hat.

Und deshalb war es ein schweres Foul gegen den Geist der Demokratie, als Herbert Kickl 2021 sagte: „Das Recht hat der Politik zu folgen, nicht die Politik dem Recht!“ Das ist autoritär und hat in einer Demokratie nichts verloren.

2. Demokratie lebt vom respektvollen Umgang miteinander.

In einer Demokratie darf und muss diskutiert und manchmal wohl auch gestritten werden, aber immer so, dass man dem anderen nachher noch in die Augen schauen kann.

Wie Demokratie auf Dauer nicht überleben kann, das kann man aus den Reden lernen, die Herbert Kickl in letzter Zeit gehalten hat. Ich habe mir seine Neujahrs- und Aschermittwoch-Rede angehört und war entsetzt über die Bösartigkeit, die einem hier entgegenkommt. Er wirft alle anderen in einen Topf und nennt sie Unterdrücker, Peiniger, Anti-Österreich-Front, Liste-Volksverrat. Es wird nicht analysiert, definiert, schon gar nicht differenziert, sondern ausschließlich beleidigt und heruntergemacht. Die Begriffe links und grün bzw. linkslinks und linksgrün werden nur als Schimpfwörter verwendet. Er droht mit Fahndungslisten für den Fall seiner Kanzlerschaft und kommt sich besonders stark vor, wenn es gegen Frauen geht.

Als Bub habe ich im Wirtshaus miterlebt, wie Männer versucht haben, Hitler in Schutz zu nehmen. „Aber reden hat er können, da Hitler. A Goschn wia a Schwert“. Das ist mir bei Kickl wieder eingefallen. Ich glaube nicht, dass „A Goschn wia a Schwert“ mit Demokratie vereinbar ist.

3. Demokratie lebt von Kontrolle durch unabhängige Medien und Wissenschaft.

Wir leben in einer extrem belastenden Zeit. Ich kann verstehen, dass sich Menschen nach Orientierung und einfachen Antworten sehnen. Das ist wohl auch der Grund dafür, dass der Ruf nach dem starken Mann immer wieder laut wird, weil viele schnell vergessen, welches Unheil davon schon ausgegangen ist.

Gerade deshalb brauchen wir unabhängige, kritische Medien, einen starken Öffentlich-Rechtlichen- Rundfunk. Kickls ständige Angriffe gegen den ORF zeigen, wie gerne er kritische Stimmen zum Schweigen bringen würde, so wie es Orban in Ungarn schon gelungen ist, den Kickl als Vorbild verehrt. „Orbans Ungarn“, und jetzt zitiere ich Paul Lendvai, „ist heute ein unglaublich korruptes, mafiaartiges feudales System geworden“. Ich füge hinzu: Und Putins trojanisches Pferd in der EU.

Ebenso fatal ist die offene Wissenschaftsfeindlichkeit der FPÖ, wie sie während der Corona-Pandemie sichtbar geworden ist. Dasselbe erleben wir jetzt mit der Klimakrise. Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber nicht das Recht auf eigene Fakten. Wer lügt und sich Fakten zurechtbiegt, wie es ihm passt, mit dem ist ein demokratischer Diskurs unmöglich.

4. Demokratie lebt von Demokraten.

Nicht jeder ist Demokrat, der in einem Parlament sitzt. Als der Hitler-Putsch 1923 scheiterte, haben sich die Nazis entschlossen, die Demokratie von innen zu zerstören.

Soweit sind wir noch nicht. Die FPÖ ist keine NSDAP. Aber es fällt Kickl sehr leicht, Nazibegriffe wie „Volkskanzler“ und Kampf gegen das „System“ zu übernehmen. Darin steckt der Anspruch, er allein würde das wahre Volk vertreten. Er schürt eine Siegeseuphorie bei seinen Fans, und deutet an, ganz nach dem Vorbild von Donald Trump, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugehen kann, sollte er nicht Kanzler werden. Dazu passen auch seine Beleidigungen an die Adresse des Bundespräsidenten.

Man kann gespannt sein, wie sich nach den Wahlen im Herbst die ÖVP verhalten wird. Sollte sie wieder mit der FPÖ koalieren, würde sie nicht nur den letzten Rest ihrer christlich-sozialen Wurzeln verlieren, sondern auf längere Sicht ihre eigene Existenz gefährden. Wir werden sehen.

Ich fasse zusammen: Mit Kickl und dieser FPÖ ist kein demokratischer Staat zu machen!

Zum Schluss noch ein paar optimistische Gedanken:

Die großen Demonstrationen in Deutschland für Demokratie und gegen rechte Hetze haben dazu geführt, dass die Zustimmung zur AfD deutlich abgenommen hat.

Ich bin sicher, dass wir das in Österreich auch hinbekommen können.

Ich rufe Sie alle auf, öffentlich und privat, am Arbeitsplatz, in der Schule, im Freundeskreis, den Mund aufzumachen, um für Demokratie und Menschenrechte einzutreten. Es gibt viele verunsicherte, schlecht informierte Menschen, die man durchaus überzeugen kann.

Und noch etwas: Wir sollten den Hass der Rechten nicht mit Gegenhass beantworten. Sie kennen nichts anderes. Wir schon. Wir sind mehr und wir haben die besseren Argumente!

Und so schließe ich mit dem Appell: Locker bleiben, aber niemals locker lassen!

Ich danke für die Aufmerksamkeit!

(Ernst Aigner, 25. 02. 2024)